In Erweiterung der Ergebnisse von Studie verfolgt Studie 2 das Ziel, mittels inverser Dynamik die effektive Gelenkbelastung von Patienten auf dem Fahrradergometer abzuschätzen und Hinweise für die Praxis und die Patientensicherheit abzuleiten.
An der Studie nahmen 16 Patienten nach zementfreier Hüft-TEP sowie eine Kontrollgruppe mit 10 Probanden teil. Die Patienten wurden gebeten, auf dem Ergometer entsprechend ihrem Therapieplan zu trainieren. Die eingestellte Leistung lag zwischen 25W und 50W, die Messzeit betrug jeweils 35 s. Zusätzlich wurde bei 12 Patienten ein Entlastungstest für das operierte Bein durchgeführt, bei dem die Pedalkraft während der ersten vier Tretzyklen vorwiegend durch das nicht operierte Bein erzeugt werden sollte. Die Pedalkräfte auf einem Fahrradergometer wurden mit individuell auf einer Kraftmessplatte (Kistler) abgeglichenen Fußdruckmesssohlen (Novel), die Gelenkwinkel vom Fuß bis zur Hüfte mittels 3D-Ultraschall-Bewegungsanalyse (Zebris) ermittelt. Aus diesen Daten wurden mittels inverser Dynamik (Laatz 2004) die entsprechenden Gelenkmomente im Hüftgelenk berechnet.
Die resultierenden Gelenkkräfte im Hüftgelenk der operierten Seite betrugen bei konstanter Drehzahl bei 25 Watt 17,5 kg, bei 35 Watt 19,6 kg und bei 50 Watt 28,5 kg. In der Startphase, d.h. in den ersten vier Trittzyklen wurden maximale Gelenkkräfte von 70,8 kg (64,4 kg bei 25 Watt, 79,1 kg bei 35 Watt, 71,7 kg bei 50 Watt) berechnet. Wurde die operierte Seite in der Startphase bewusst entlastet, betrugen die Gelenkkräfte nur noch 18,8 kg.
Insgesamt werden die Ergebnisse der ersten Studie (Jöllenbeck 2007) mit gesunden Probanden hinsichtlich der Pedalkräfte in der Startphase und bei konstanter Drehzahl im Wesentlichen bestätigt. Aufgrund der vorherrschenden Hebelverhältnisse zwischen Hüftgelenk und Femur sind nach Bergmann u.a. (1995) die Gelenkkräfte im Hüftgelenk rund dreimal größer als die zugehörigen Bodenreaktionskräfte. Somit entsprechen alle Hüftgelenkkräfte von weniger als 30 kg bei konstanter Drehzahl wie auch bei Entlastung der operierten Seite einer Teilbelastung von weniger als 10 kg und sind somit als unproblematisch einzustufen. Als Ergebnis beider Studien sollte bei einer vorgegebenen Teilbelastung von 20 kg eine maximale Leistung von 80-100 Watt nicht überschritten werden. In der Startphase hingegen bewegen sich die Gelenkkräfte bereits bei geringen Leistungen von 25 bis 50 Watt mit bis zu 79 kg im Bereich einer vergleichbaren Teilbelastung von etwas über 26 kg. Die effektiven Kräfte in der Startphase steigen mit der eingestellten Leistung und mit der Beschleunigung der Trittbewegung. Eine Reduzierung der Kräfte in der Startphase im Einklang mit der vorgegebenen Teilbelastung kann durch eine Beschleunigung vorwiegend über das gesunde Bein bei gleichzeitiger Entlastung des operierten Beines erfolgen. Alternativ scheint auch eine beidbeinige langsame Beschleunigung der Trittbewegung möglich. Der Antritt sollte jedoch immer mit dem gesunden Bein beginnen.
Die vorliegende Studie belegt, dass in der orthopädisch-traumatologischen Rehabilitation das Fahrradergometer bei konstanter Drehzahl wegen der guten Dosierbarkeit der Gelenkmomente durch die eingestellte Leistung auch bei Patienten mit Teilbelastung problemlos eingesetzt werden kann. In der Startphase sind die Gelenkmomente im Hüftgelenk jedoch so hoch, dass ein Anfahren nur über die gesunde Körperseite oder mit langsamer Beschleunigung dringend anzuraten ist.